Die Lehre in Mangelberufen ist eine der wenigen Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylwerbende. Gerade in diesem Bereich suchen Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften, denn der Fachkräftemangel schreitet in enormen Tempo voran. In Zeiten eines „absoluten Fachkräftemangels“, in denen bis zu 15.000 Lehrlinge in den Mangelberufen fehlen, sei dringend Handlungsbedarf gegeben. Das zeige auch eine Unternehmensbefragung der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wonach 59 Prozent der österreichischen Unternehmen einen Mangel an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als größtes Standortproblem sehen.
Asylwerbenden eine Ausbildung im Rahmen einer Lehre zu ermöglichen ist eine große Chance, diesem etwas entgegenwirken. Das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) stellt durchgängig 100 Lehrstellen zur Verfügung, ein Teil davon für leistungsschwächere Jugendliche. So sind zum Beispiel im gastronomischen Bereich ein Viertel der Gesamtzahl der Kochlehrlinge sogenannte „integrative Lehrlinge“. Die bewährte Methode der integrativen Lehrlingsausbildung für Jugendliche, die sonst beim Auswahlverfahren wenige Chancen haben, wurde 2016 mit dem Projekt „Integration durch Lehre“ für eine neue Gruppe geöffnet: Unbegleitete minderjährige Asylsuchende haben die Möglichkeit eine Kochlehre im KWP zu absolvieren.
Eine der größten Chancen für die Integration ist die Eingliederung von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt. Lehrlinge nehmen im KWP generell einen ganz besonderen Stellenwert ein: Eine bestmögliche Ausbildung und eine individuelle Betreuung sind die Grundpfeiler des umfassenden KWP-Lehrlingsförderungsprogramms, das das Wiener Qualitätssiegel „Top-Lehrbetrieb“ trägt. Mit seinen tausenden dort arbeitenden und wohnenden Menschen aus den verschiedensten Ländern der Welt, ist das KWP darüber hinaus besonders geeignet, Integrationsarbeit zu leisten. Denn im KWP wird Diversität tagtäglich gelebt. Unser Projekt „Integration durch Lehre“ wurde bei der diesjährigen SozialMarie-Preisverleihung ausgezeichnet und Karl Amon, langjähriger ORF-Radiodirektor, wird für ein Jahr den aktiven Ehrenschutz übernehmen.
Dennoch ist unser erfolgreiches Projekt in Gefahr. Aktuell nehmen die negativen Asylentscheidungen für Menschen in der Lehre massiv zu. Auch im KWP ist es zu den ersten Abschiebungen gekommen, dies sorgt unter anderem für massive Verunsicherung unter den betroffenen Lehrlingen. Eine Absolvierung der begonnenen Lehre zu ermöglichen, ist nicht nur aus menschlicher Sicht unumgänglich, es ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht absolut sinnvoll. Daher unterstützen wir die Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ (www.ausbildung-statt-abschiebung.at) und fordern die Aussetzung der Abschiebungen von Asylwerbern, die gerade eine Lehre absolvieren.
Eine aktuelle SORA-Umfrage zeigt deutlich, dass sich bereits 79 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gegen diese Abschiebungen aussprechen. Wir wollen mit der Berichterstattung über das Lehrlingsausbildungsprogramm des KWP und insbesondere über das Projekt „Integration durch Lehre“ auf diesen eigens dafür eingerichteten Blog gesellschaftspolitische Denkanstöße geben und eine Aussetzung der Abschiebungen von Menschen in Ausbildung sowie in Folge eine Lösung in Richtung des deutschen 3plus2-Modells bewirken.
Mag.a Gabriele Graumann
Geschäftsführerin Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser
